Mich erreichte eine Anfrage zum Thema »Verteilung der Klicks auf die organischen Treffer bei Google«. Es wurde hinterfragt, ob es belastbare Quellen für die Klickverteilung gibt und vermutet, dass es spätestens auf Seite 2 und 3 der Suchergebnisse bei Google keine relevante Zahl an Klicks mehr geben kann.
Nach kurzer Überlegung habe ich mir erst gar keine weitere Mühe gegeben, eine Quelle zu finden. Stattdessen habe ich mir ein wenig Zeit genommen und habe der Anfragenden dargelegt, warum es aus meiner Sicht und meiner Erfahrung keine belastbare Quelle für die Klickverteilung geben kann. Da ich dabei nicht spezifisch auf das Thema eingegangen bin, zu dem die Klickverteilung erfragt wurde, sondern meine Gedanken dazu eher allgemeiner Natur sind, habe ich mich entschlossen, die Infos an dieser Stelle ebenfalls zu veröffentlichen. Ein wenig wurde noch ergänzt und umformuliert – was man eben so macht, wenn man ein zweites Mal über einen Text geht.
Warum es keine allgemeingültigen Aussagen zur Klickverteilung geben kann
Ziel der Anfrage war es, Aussagen zur Sichtbarkeit in einer spezifischen Branche zu machen, also aus der Platzierung einzelner Seiten in Verbindung mit dem Suchvolumen eine Sichtbarkeit oder gar ein Besucheraufkommen ableiten zu können. Ein Wunsch, den nicht nur viele Seitenbetreiber haben sondern natürlich auch die einschlägigen Toolanbieter.
Zur Klickverteilung bei Google und damit zu einer CTR (click through rate, Durchklickrate) je Position kann es m. E. keine belastbare aktuelle Quelle geben. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig:
Nutzerspezifische Trefferlisten
Jeder Nutzer bei Google (in Deutschland derzeit die nicht die wichtigste sondern die einzig relevante Suchmaschine, von Spezialangeboten abgesehen) bekommt seine eigene Trefferliste ausgespielt. Individualisiert wird dabei mindestens auf Standortebene, je nach Status und Historie aber auch auf der Ebene von persönlicher Vernetzung, Suchhistorie gesamt, Suchhistorie in der aktuellen Session, Endgerät und vermutlich noch ein paar andere Dinge, die Google ungern an die große Glocke hängen würde.
Markenbekanntheit
In seiner Bachelorarbeit hat Hendrik Terbeck das sehr nett aufbereitet: Nicht allein die Platzierung zählt für die Klickrate sondern auch die Markenbekanntheit. Aus eigener Erfahrung ein Beispiel: Ranke ich zu einem produktbezogenen Suchbegriff auf Platz 2 hinter Amazon, habe ich eine CTR zwischen 10 und 20 %, bei bestimmten Themen auch mehr, Amazon (vermutlich) auf Platz 1 eine CTR von 50–60 %. Tauscht Google jetzt die Plätze für uns, bekomme ich allerdings trotzdem nicht mehr als 30 % auf Platz 1, Amazon wird aber vermutlich immer noch knapp 50 % der Klicks bekommen. Die Marke ist einfach so stark, dass sie auch Klicks zieht, die sonst ein besser platzierter Treffer bekommen würde.
Werbefläche
Nicht nur die Trefferliste selbst ist individualisiert sondern auch die eingeblendete Werbung über, neben und unter den Suchergebnissen. Es gibt mittlerweile viele Beispiele, bei denen der zweite organische Treffer nicht mehr ohne Scrollen im Viewport sichtbar ist. Zu einer anderen Tageszeit oder bei einem anderen Nutzer muss das aber nicht ebenso aussehen. Das dürfte unmöglich auszuwerten sein.
Layoutänderungen der Trefferlisten
Die Wahrscheinlichkeit, dass das Layout der Trefferlisten auch abgesehen von der Individualisierung über den Verlauf einer längeren Studie identisch bleibt, ist sehr gering. Google ändert laufend das Layout, auch wenn die Anpassungen teils nur marginal sind. Ein Einfluss auf die Klickverteilung wäre aber nicht auszuschließen und man könnte wieder von vorn anfangen.
Inhalte und Darstellung der Treffer (Snippets)
Durch die Inhalte der Treffer mit Seitentitel, URL oder Breadcrumb und Beschreibung, und die Darstellung mit Rich Snippets (Videovorschau, Bewertungssterne, Autoreneinbindung etc.) wird die Klickverteilung extrem beeinflusst. Ein interessantes Rich Snippet bekommt auch auf Position 7 noch etliche Klicks ab, während ein Treffer, der sich optisch nicht von den anderen unterscheidet, hier eine Klickrate im niedrigen einstelligen Prozentbereich hat.
Thema, Art der Recherche
Bei vielen Suchen wird es tatsächlich nicht viele Klicks für Treffer auf der zweiten Seite geben. Bei rechercheintensiven Themen kann es aber auch auf Seite 2 und 3 noch einige Besucher geben. Das gilt insbesondere, wenn es unter den ersten Treffern die üblichen Plattformen gibt, die zwar jede Frage beantworten, keine jedoch mit der gewünschten Tiefe. Da klickt der Nutzer gern auch mal weiter in den Trefferlisten rum. Ein so interessierter Besucher ist ggf. auch noch interessanter für den Seitenbetreiber als jemand, der bei einer oberflächlichen Suche den ersten Treffer anklickt.
All diese Punkte zusammengenommen, kann es eigentlich nichts Belastbares geben, aus dem man eine Klickverteilung ableiten kann. Die gängigen SEO-Tools wie Sistrix und Searchmetrics versuchen das, können jedoch eigentlich an dieser Aufgabe nur scheitern. Und das kann man ihnen noch nicht einmal zum Vorwurf machen.
Mich interessieren eure Meinungen zum Thema. Sind eure Erfahrungen da anders oder ähnlich? Habt ihr gar eigene Untersuchungen dazu gemacht?