Im folgenden Beitrag geht es darum, wie eine regelmäßig stattfindende Informations- und Präsentationsrunde die Teambildung und die Weiterbildung der Teammitglieder fördern kann. Insbesondere in Teams mit eher heterogener Zusammensetzung birgt die Methode Vorteile, allerdings auch Risiken.
Der Whiteboard-Friday im Unternehmen
Ich verfolge schon seit langer Zeit den wöchentlichen Whiteboard-Friday bei SEOmoz. Bei diesem Format stellt Rand Fishkin oder ein Gastredner in einem begrenzten Zeitraum, meist zwischen wenigen Minuten und einer Viertelstunde, ein Thema vor, das er an einem Whiteboard zur Unterstützung visualisiert (hier z. B. die Rollen und Verantwortlichkeiten eines Marketingteams). In der Kürze der Zeit kann man keine Abhandlungen über große Themenkomplexe wiedergeben und die Zeichenfläche einer Tafel wäre dazu auch kaum geeignet. Das Format zwingt also dazu, sich auf einen groben Einblick zu beschränken oder sich einem eher spitzen Teilaspekt eines Themas zu widmen, dass dann umso detaillierter vorgestellt werden kann. Es bietet sich u. U. auch an, mehrere Ausgaben des Whiteboard-Fridays zu einer Serie zusammenzufassen.
Doch wie kann man das nun im eigenen Unternehmen anwenden? Das erkläre ich wohl am besten am Beispiel meines langjährigen Arbeitgebers jpc. Die Struktur unseres Unternehmens bedingt es, dass die Hauptabteilung, in der ich mit meiner Kollegin für das Suchmaschinenmarketing (SEO und SEA) zuständig bin, eine sehr heterogene Zusammensetzung hat. In diesem großen Team finden sich also wir SEM-Leute, klassische Marketer, Mediengestalter und Entwickler für Front- und Backend. Und obwohl es unter all diesen Kollegen in der täglichen Arbeit immer wieder Berührungspunkte gibt, kennt doch kaum einer viel von der Tätigkeit des anderen, vom Abteilungsleiter natürlich abgesehen. Der Rest arbeitet mehr oder weniger in kleinen, selten wechselnden Teams autark und hat keinen Einblick in das Tagesgeschäft der Kollegen.
Angeregt durch die jeweils als Video veröffentlichten Whiteboard-Vorträge bei SEOmoz, habe ich im vergangenen Dezember unserem Abteilungsleiter vorgeschlagen, einen Whiteboard-Friday einzuführen, bei dem im wöchentlichen Wechsel ein Kollege aus dem Team etwas aus seinem Arbeitsgebiet vorstellt. Es muss sich dabei nicht um den Hauptteil seiner Tätigkeit handeln, sollte aber auch nicht damit enden, dass er seine Sammlung gebrauchter Taschentücher von Prominenten vorstellt. Ein enger Bezug zur Tätigkeit bei uns ist also gefordert.
Weil zu jedem Treffen ein großes Team zusammenkommt, darf die Veranstaltung auch in zeitlicher Hinsicht nicht ausufern. Ziel für jeden Vortrag ist also eine Redezeit von 10–15 Minuten mit anschließender Frage-/Antwortrunde für weitere 10–15 Minuten. Nach maximal 30 Minuten muss also der Hammer fallen und das Team auseinandergehen. Sollten dann noch offene Fragen im Raum stehen, hat man direkt ein Thema für den nächsten Freitag.
Erste Erfahrungen
Seit Ende Januar führen wir den Whiteboard-Friday nun mit diesen Vorgaben durch. Ich selbst durfte schon mit zwei Themen an die Tafel, mehrere andere Kollegen haben aber auch schon präsentiert. Themen bisher (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Redaktionell relevante Seitenelemente und deren Verwendung, Semantisches HTML, Einführung in AdWords, Softwaremetriken, Testroutinen in der Softwareentwicklung, Katalogproduktion und zuletzt noch Aufbau der SERPs.
Die Vielfalt der Themen zeigt schon, dass nicht jeder Vortrag für jeden Zuhörer gleich interessant sein kann. In manchen Wochen wird man ggf. wenig Neues erfahren, wenn gerade der Kollege, der eh im Tagesgeschäft das gleiche Aufgabengebiet hat, einen Teilaspekt daraus beleuchtet. Vielleicht kann man sich aber gerade dann in der anschließenden Fragerunde einbringen, indem man z. B. gezielt einen Punkt hinterfragt, der vom Vortragenden vergessen wurde oder indem man den Redner bei seinen Antworten unterstützt, damit er mal Luft holen kann.
Es kann natürlich auch weniger interessant sein, weil der eigene Wissensstand zu einem Thema so gering ist, dass man den Faden des Vortrags schon beim Titel verliert. In dem Fall ist dem ach so unwissenden Zuhörer natürlich kein Vorwurf zu machen. Zumindest in dieser frühen Phase unserer Whiteboard-Fridays kann man aber auch dem Vortragenden keinen Vorwurf machen. Für uns alle ist das neu und da es vorher kaum gemeinsame Erfahrungen dieser Art gab, ist es extrem schwer einzuschätzen, mit welchen Informationen man genau den Punkt zwischen Langeweile und Überforderung trifft. Bei einzelnen Themen wird das in dieser Zusammensetzung des Teams vermutlich auch nie klappen können.
Die bisherigen Vorträge und die in den meisten Fällen auch angeregten Fragerunden machen Lust auf mehr. Ich finde es persönlich sehr spannend, wie sich die Veranstaltung bei uns entwickelt. Das Korsett, in das wir uns selbst zwingen, ist ja weitestgehend ein zeitliches und nur sehr begrenzt ein inhaltliches. Und es spricht auch nichts dagegen, Regeln zu ändern, wenn sich herausstellt, dass die Durchführung dadurch einfacher oder eher zielführend wird.
Ziele – ach ja, und Risiken
Was sind denn die Ziele dieser Treffen? Aus meiner Sicht geht es in erster Linie darum, bei allen Mitgliedern eines Teams das Verständnis und die Anerkennung für die Arbeit der anderen Kollegen zu fördern. In der Folge können Barrieren fallen und Reibungsverluste in späterer Zusammenarbeit minimiert werden. Das Verständnis für die Arbeitsweise und die Denkmuster, aber auch die Spezialinteressen eines Kollegen lässt einen auch Anforderungen an diesen besser formulieren oder Rückfragen besser verstehen.
Gleichzeitig handelt es sich bei jedem einzelnen Vortrag auch um eine Weiterbildung aller Zuhörer. Der Vortragende teilt schließlich sein Wissen. Und da jeder im Unternehmen sein Handwerk versteht, ist diese Wissensweitergabe von entsprechend hoher Qualität und hat sicherlich Fortbildungscharakter. Natürlich kann nicht jeder Kollege alles Gehörte auf seine eigene Tätigkeit anwenden, schlimmstenfalls erweitert er aber seinen Horizont. All das sind Punkte, von denen die Firma ebenso profitiert wie jeder einzelne Mitarbeiter.
Die Mitglieder heterogener Teams in der Form einer Pflichtveranstaltung aufeinander loszulassen, kann natürlich auch zu Problemen führen. Nicht jeder Kollege ist ohne Übung in der Lage, sein Fachgebiet in freier Rede vorzustellen, obwohl er sich in allem, was er tut, im Schlaf auskennt. Oder falsche Bescheidenheit führt dazu, dass man das eigene Thema im Vergleich zu bereits vorgetragenen unterschätzt und sich deshalb nicht an die Tafel traut. Wie man das lösen kann, weiß ich noch nicht. Vielleicht sehe ich aber auch Gespenster und es ist gar kein Risiko vorhanden.
Fazit
Nach mehreren Wochen kann ich sagen, dass der Whiteboard-Friday bisher ein erfolgreiches Konzept für uns ist. Ich sehe auch derzeit nicht, warum sich das ändern sollte. Ein System, in dem mit begrenztem Aufwand ein besseres Teamverständnis gefördert werden kann, muss ja zwangsweise erfolgreich sein.
Die Eckpunkte nochmal im Überblick:
- Wöchentliche Durchführung
- Wechselnde Sprecher aus dem Team
- Thema aus dem Arbeitsumfeld des Sprechers
- Redezeit 10–15 Minuten, strikt einzuhalten
- Fragerunde bis zu 15 Minuten, strikt einzuhalten
- Sprecher sollten sich freiwillig melden
- Bunter Themenmix durch Mitglieder aus unterschiedlichen Gruppen
- Alleiniges Medium ist das Whiteboard. Kein Projektor, kein Laptop. Eventuell Ausdrucke für Themen, die allein zeichnerisch schwer darzustellen sind.
Feedback
Nach den beiden Kurzpräsentationen, die ich gehalten habe, habe ich mir bei einigen Kollegen noch Feedback eingeholt; zum Format an sich und zu meinem Vortrag speziell. Feedback zu geben und zu erhalten finde ich immer hilfreich. Das soll bei diesem Artikel nicht anders sein. Also, wer führt in seiner Firma ähnliche Reihen durch oder könnte sich vorstellen, das zu tun? Gibt es Erfahrungen, Anregungen, die man hier noch ergänzen sollte? Sollte man später auch Sprecher von außerhalb des Teams einladen? Meldet euch; ich bin gespannt.